Fünf Kopfbedeckungen in der Vitrine. Ist es alles, was von den Trägerinnen oder Träger blieb?Fünf vestimentäre Objekte, wie Roland Barthes sie in den 1950er Jahren nannte. Ein staubiges Türkis, ein Weisz-grün-rosa, ein Karmesinrot, ein irisierendes Grau-beige-schwarz. Seide und Filz, Ripsband und Baumwoll-Popeline, Samt, Tüll, Federn. Die beiden letzteren müssen einen tragenden Untergrund, eine Basis haben. Auf den hat die Modistin, oder nannte sie sich noch Putzmacherin?, das fragile Material gesteckt und geheftet. Vier der Objekte sind kleine Gebirge, d.h. ihr Prinzip ist das der Material-Auftürmung, der Verschwendung (vgl. Veblens Theorie der feinen Leute, die Ökonomie der Verschwendung) aus ästhetischen und kommunikativen Gründen. Ausgebreitet würden Berg und Hut viele Quadrat-Kilometer oder mindestens doch im Falle des Hut-Bergs Quadratmeter einnehmen.
An Winter läszt das Modell aus weiszem Rips-Band denken, nennen wir es Davos, Cliché-Traumort wie Capri; in zwei perfekten Spiral-Serpentinen führt das Schnee-Rips-Band zu den beiden Gipfeln auf denen je eine Fichte steht. Im Tal blühen rote Rosen.Kühlte es den Kopf einer EDEKA-Laden-Besitzer-Gattin im heiszen Sommer 1955?
Die Getüme haben keinerlei funktionale Funktion und sind somit die antizipierte Negation der Funktionskleidung. Sie können nicht einmal aus sich heraus sitzen auf dem Kopf der Herrin – warte noch, Liebling, ich musz noch eben das Hütchen feststecken. WehWeh Windchen, nimm Helga ihr Hütchen – auf der Suche nach einer Erklärung hilft der Titel-Text der Vitrine oben links: „Damenhüte“. Der Hut markiert das Phänomen, besser: die ERSCHEINUNG Dame wie ein Blaulicht den Peterwagen, das Dachschild die Taxe, die Mitra den Bischof. Beim Dame-Sein haben wir es mit einer an bestimmte ökonomische Bedingungen geknüpfte Religion fürs weibliche Geschlecht zu tun. Mädchen, Mädel (vgl. BDM), Backfisch, Fräulein, Frau, Dame, Witwe vielleicht noch. Fräulein und Dame geht zusammen. Die Dame geht aber hauptsächlich mit dem Herren aus, so gehört das.
Einen Schritt zurückgetreten erschlieszt sich der Gesamt-Religions-Kontext: „Der Aufbruch ins Wirtschaftswunder“.
Epiphanie, Mirakel, ökonomisch gesehen ist das Unsinn, alles spricht fürs Religiöse. Das VW-Werk kam nicht von Gott, sondern es wurde im Ort Arbeitsdorf bzw. Stadt des KDF-Wagens produziert, nach kurzer Zeit von KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern. Wie war das? Lief überhaupt ein KDF-Wagen vom Band für den die verblödeten Volksgenossen viel Geld bezahlt hatten? Das Wunder gehört in die Religion. In Niedersachsen war die Basis Zwangsarbeit, Kredite vom deutschen Volk, die ausgebliebene Zerstörung von Industrieanlagen und die Aufbauhilfe vom neuen groszen amerikanischen Bruder. Begeben wir uns in die Damen-Religion und ihren sichtbaren Zeichen: Stoffgebirge mit Tüllwald und Samt-Seen.